Peru

Die Kunstfakultät der Kath. Universität von Lima / Peru beruft ihn als Gastprofessor - kurz nach Beendigung der Militärdiktatur; außer der Möglichkeit, wieder in seine gewohnte südamerikanische Umgebung zu kommen und dort lehren zu können, sieht er die Chance, die bisherige künstlerische Produktion unter idealen Bedingungen inhaltlich und ästhetisch zu steigern - er sucht einen ›authentischeren‹ Ausdruck der ›Wirklichkeit‹, wie er im »auf sich selbst fixierten europäischen Westen« nicht mehr erfahrbar ist; erneut verläßt er Europa, wiederum für lange Zeit.

Nach wenigen Monaten beendet er die Lehrverpflichtungen (»... es wurde alles zu viel: die kraftlosen Studenten, die elitäre Kontrolle, die Toten auf den Straßen ...«); am Pazifischen Ozean verwirklicht er eine erste wichtige ›Aktion‹, die er bereits von einem Fotografen dokumentieren läßt: Vom Sterben eines bösen Mythos; mit einigen seiner Schüler verläßt er Lima und lebt in der großräumigen Villa ›Luz del Carmen‹ - dieses Sommerhaus eines peruanischen Generals liegt in einer Wüstenoase im Andengebirge - er wird es acht Jahre lang als Atelier bewohnen (»... in der großartigen Landschaft hatte ich nichts mehr als mich selbst - ohne die geringste äußere Ablenkung konnte ich mich nur noch auf das konzentrieren, was in mir war ...«); hier beginnt er sofort mit der Arbeit am Zeichnungen-Zyklus Kyrie eleison - Paraphrasen über Michelangelo Buonarroti (die zusätzliche Widmung für Baal / Belial wirkt wie ein Programm für die folgenden Schaffensjahre); die Gruppe nennt sich nach dem umliegenden Ort ›Chaclacayo‹; in kaum zwei Jahren intensiver Suche realisieren sie zusammen ihr erstes multimediales Kunstprojekt Perú - un Sueño (Peru - ein Traum); das Goethe-Institut München / Lima organisiert im Museo de Arte (Kunstmuseum) im Zentrum von Lima eine Gesamt-Ausstellung, die äußerst kontroverse Reaktionen beim Publikum und in der gesamten Presse hervorruft - bis zur mißlungenen Zensur durch deutsche Behörden (»... es war wie ein Meilenstein der Kunst - inmitten einer Millionenstadt der Dritten Welt machte ich die Erfahrung dieser wahnsinnigen Ausstellung in einer solchen Dimension, ohne jede konkrete historische Perspektive - eine utopische Fiktion ...«); nahezu synchron zu diesem Ereignis bricht in Peru ein langanhaltender Guerilla-Krieg aus, der sämtliche kulturellen und zivilen Aktivitäten lahmlegt.

An seinem Arbeitsplatz in der Villa 'Luz del Carmen', Peru
An seinem Arbeitsplatz in der Villa ›Luz del Carmen‹
Foto: Ch. Guerra

Unter den Besuchern im Haus von Chaclacayo befindet sich der Berliner Kunstwissenschaftler Wieland Schmied, der zur Fortsetzung des Projekts seine Mitarbeit anbietet; die Intensität der künstlerischen Produktion steigert sich von Jahr zu Jahr - zur konsequenten Verwirklichung aller Ideen setzt er immer mehr unkonventionelle Medien ein, welche die bisherigen Möglichkeiten weit überschreiten (später spricht die europäische Kunstkritik von »Schleusen, die sich für einen Bilderstrom öffneten«); in ununterbrochener Arbeit entstehen die Folgen Ave verum Corpus / Kreuzigungen (Reflexionen über zwei Säulen in Berlin) und die Rosa-Paraphrasen (Variationen über ein Bildnis seiner Mutter und der Hl. Rosa von Lima); im folgenden Projekt Todesbilder - Peru oder Das Ende des europäischen Traums reagiert er auf den um ihn herum herrschenden Bürgerkrieg und seine Ursachen - das Resultat stellt sich als perfektes Paradigma abendländischer Zivilisation dar; jetzt verwendet er die Fotografie bewußt als ästhetisches Gestaltungsmittel, ebenso werden die dramatischen ›Aktionen‹ in den Anden fotografisch dokumentiert (Miserére mei, Deus); Militär und Polizei dringen mehrmals in sein Anwesen ein, umstellen und durchsuchen das Haus; der politische Druck auf ihn verstärkt sich immer mehr - schließlich entzieht ihm die ›demokratische‹ peruanische Regierung den privilegierten Aufenthaltsstatus, kurz vor dem Beginn einer erneuten Diktatur.

Die gesamte künstlerische Produktion wird mit Hilfe der Deutschen Botschaft aus den Anden nach Berlin geflogen, die Mitglieder der Gruppe - seine ehemaligen Schüler - erhalten eine offizielle Einladung in die Bundesrepublik (»... mit einem Koffer war ich in Lima angekommen, wohnte monatelang in einer kleinen Pension im Arbeiterviertel ›Jesús-María‹ - jetzt stand ich vor einem Kunstprojekt von mehreren Tonnen Gewicht, Container, die sich in den Himmel hoben - das wunderbare weiße Haus blieb wieder allein im Gebirge zurück ...«).



zurück weiter

www.hjpsotta.de